bericht aus der zeitung zu Bielefeld

BIELEFELD: "Im Auto einmal Spitze sein"

DAS INTERVIEW: Achim Geller, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie





Nähe zum Drogenexzess

Bielefeld. Als Achim Geller, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie aus Bielefeld, vom nächtlichen Autorennunfall hört, fällt ihm der Film "Denn sie wissen nicht, was sie tun" ein. James Dean spielte 1955 einen um Anerkennung ringenden Halbstarken, es kommt zu einem tödlichen Autorennen. Einen Monat vor der Premiere kam Dean selbst bei einem Autounfall zu Tode. Mit Geller (41) sprach Kurt Ehmke.

Denn sie wissen nicht, was sie tun?
ACHIM GELLER: Ja, leider, das Phänomen ist seit den 50er-Jahren immer dasselbe. Alles fängt bei den sozialen Verhältnissen an. Menschen, die im Job nicht vorne liegen, die im Alltag Tristesse erleben, können beim Autorennen einmal ganz vorne sein, Spitze eben.


Eine Frage der Anerkennung?
GELLER: Es hat viel damit zu tun. Mit ihrem Auto stehen diese Leute auf einer Bühne, es gibt Zuschauer – wir erleben hier narzistisch strukturierte Menschen. Sie holen sich beim Autorennen den Kick.

Kick?
GELLER: Ja, es kommt zu Rauschzuständen. Wir haben hier eine Nähe zum Drogenexzess . . .

Das Auto als Droge?
GELLER: Nicht alleine – es sind die Umstände. Die Rennen sind verboten, das alleine fördert den Kick. Wie in der Techno-Disko nach der fünften Ecstasytablette. Dazu kommen eben die Geschwindigkeit, das Publikum, die Frauen, die zusehen, die Chance, einmal Sieger zu sein, das Motorengeheul – eine bunte Mischung.

Die die Gefahr vergessen lässt.
GELLER: Es kommt nicht zu einer Spaß-Risiko-Abwägung. Wer Bungee springt, überlegt vorher kurz, wie groß das Risiko ist. Das setzt hier aus.

Was macht das Auto so interessant für die Jugendlichen?
GELLER: Es bietet das Gefühl der Sicherheit, Motto: Um mich herum ist doch viel Blech. Und: Ich beherrsche das ja, ich fahre doch nur Auto. Dazu kommt, dass das Auto bei uns ein Statussymbol ist, wir Deutschen sind stolz auf Autos, zeigen sie gerne vor, geben mit ihnen an. Das Auto ist vielen eine Art Zuhause, manchen sogar das erste Zuhause. Es hat etwas Kindliches, das Auto, mein Spielzeug. Übrigens gehen diese Gefühle weit über die Gruppe der Jugendlichen hinaus, die Autorennen fahren. Fehlt das Gefühl von Verletzlichkeit und kommt der Rausch, ist die Gefahr da.

Ein Jugendlicher sagte nach dem Unfall, dass das alles in zwei Wochen vergessen sei – verdrängt das Blech der Autos alle Gefühle?
GELLER: Solche Sätze sind nach solchen Unfällen keine Meinungsäußerungen, sondern unbeholfene Abwehrmechanismen. Deshalb müssen diese Leute keine gefühlskalten Menschen sein.

Was kann helfen?
GELLER: Diesem Problem kann man nicht mit Einsicht oder Therapie begegnen, sondern wohl wirklich nur strafrechtlich.

Alles fängt bei den sozialen Verhältnissen an. Menschen, die im Job nicht vorne liegen, die im Alltag Tristesse erleben, können beim Autorennen einmal ganz vorne sein, Spitze eben.

Es wird wieder alles über einen Kamm gelegt.........................Personen die keine Ahnung haben nur eine Meinung,sollten sich besser mit solchen Aussagen zurückhalten.......................................