Pagenstecher-Szene pocht jetzt auf das Grundgesetz


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  • | 11.01.2004 15:53

Mit Platzverweisen und Aufenthaltsverboten macht die Stadt der Pagenstecher-Szene das Leben schwer. Wer sein Auto tiefergelegt hat, kann sich ein Aufenthaltsverbot einhandeln, auch wenn er nur Tempo 30 fährt. Ein Polizist trifft die Entscheidung, die weit reichende Folgen für den Betroffenen hat. Wird hier noch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt?
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Mit dem Hinweis auf das Niedersächsische Gefahrenabwehrgesetz hat die Stadt zu einem Mittel gegriffen, das bislang nur gegen Drogendealer eingesetzt wurde. Bislang wurden 411 potenzielle Ruhestörer zu unerwünschten Personen erklärt. Zunächst erhielten sie Platzverweise. Schwerer wiegen jedoch die Aufenthaltsverbote, die ein halbes Jahr gelten.
Die Adressaten mit Wohnsitz in Osnabrück dürfen sich so lange nicht Freitag nachts an der Pagenstecherstraße blicken lassen – egal ob mit oder ohne Auto. Beschuldigte von außerhalb müssen in den fraglichen Nächten sogar einen Bogen um die Stadt machen. Wer sich darüber hinwegsetzt, riskiert ein Strafgeld von 500 Euro.
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Die Polizei spricht von Vorbeugung, wenn sie bei ihren Kontrollen Verdächtige aussortiert. „Wir können nicht abwarten, dass etwas geschieht“, sagt Polizeisprecher Martin Ratermann. Der Beamte treffe eine Einzelfallentscheidung, damit mögliche Raser nicht sich selbst oder andere gefährden. Hier gehe es um eine Gefahrenprognose, vermerkt Ratermann. Es müsse nicht bis ins letzte Detail bewiesen werden, dass der Eindruck stimmt.
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Genauso sieht es Jürgen Wiethäuper vom Fachbereich Bürger und Ordnung der Stadt Osnabrück. Für den Einzelnen sei der Nachteil vergleichsweise gering, weil er nicht mehr auf die Pagenstecherstraße dürfe. Im Einzelfall könne das Aufenthaltsverbot auch gelockert werden. Das sei auch schon geschehen, weil einer der Adressaten bei einem Autohaus an der Pagenstecherstraße arbeite.
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Die Tuning-Szene pocht mittlerweile auf das Grundgesetz. Ein BMW-Fahrer bekennt:„Ich fühle mich in meiner Menschenwürde angegriffen.“ Zweifel an der Verhältnismäßigkeit der Mittel meldet auch der Rechtsanwalt Dr. Horst Simon an, der als Politiker im Namen der SPD gleichwohl konsequente Schritte gegen illegale Rennen fordert. Es stelle sich aber die Frage, ob die Stadt mit den Aufenthaltsbeschränkungen nicht gegen das Übermaßverbot verstoße. Instrumente wie Blitzen, Anhalten, Führerscheinentzug und Stillegung müssten doch ausreichen.
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Zurückhaltend äußert sich dagegen Dr. Jens-Peter Schneider, Professor für öffentliches Recht und zugleich Dekan des Fachbereichs Rechtswissenschaften an der Universität: „Es geht um Gefahrenabwehr und nicht um Bestrafung.“ Die Polizei habe eine Eingriffsbefugnis und müsse nach Prognosen handeln. Hinweise auf einen konkreten Gefahrenverdacht lägen offensichtlich vor. Da dürfe die Polizei nicht abwarten, „bis die mit 130 durch die Zuschauermengen fahren“.


Quelle:
Neue Osnabrücker Zeitung
Datum:
17.04.2002

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