Wenn Fußgängern am Straßenrand die Ohren abfallen


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  • | 11.01.2004 15:53

LKW-Lärm, laute Musik, Kindergeschrei: Nicht jedes Geräusch nervt, aber in der Summe ist die Schmerzgrenze schnell erreicht. Gehörschäden nehmen zu, und es macht keinen Unterschied, ob gewollte oder ungewollte Beschallung die Ursache ist. Heute, am Tag gegen den Lärm, stellen wir den neuen Schallimmissionsplan für Osnabrück vor. Und gehen mit einem Schallmessgerät auf die Pirsch.
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Es gibt Menschen, die haben es gerne laut, um sich von anderen zu unterscheiden. Von der Zubehörindustrie werden Auspuffanlagen mit dem speziellen Sound für Autos und Motorräder angeboten: Einmal richtig Gas geben, und in der nächsten Siedlung sind alle wach. Der technische Fortschritt hat das Fahrgeräusch beim VW Golf auf 76 dB(A) gedrückt. An der Pagenstecherstraße wurden Autos sichergestellt, „die lagen teilweise zehn bis fünfzehn dB darüber“, sagt Georg Engelhardt, der Leiter der TÜV-Station in Osnabrück. Dabei nimmt das menschliche Ohr eine Erhöhung um drei dB als Verdoppelung wahr. <p>
Auch die Musik, die aus manchen Autos nach außen dringt, lässt Fußgängern am Straßenrand fast die Ohren abfallen. Aber im Innenraum muss es noch viel lauter sein. Lärm ist in dieser Szene offenbar sexy. Dass die jungen Leute dabei ihr Gehör ruinieren, sieht Brigitte Seefeld als unumstößliche Konsequenz. Für die Hörakustik-Meisterin ist es nur eine Frage der Zeit, bis die Haarsinneszellen im Innenohr auf bestimmte Frequenzbereiche kaum noch reagieren. <p>
Immer mehr junge Leute kommen zu ihr ins Geschäft, weil sie einen Gehörsturz erlitten haben oder weil das Gehör nachlässt. Disco-Lärm hinterlasse irreparable Schäden, sagt Brigitte Seefeld. Zu den gefährdeten Berufsgruppen gehören längst nicht nur Industriearbeiter oder Bergleute, sondern auch Kindergärtnerinnen, Lehrer oder Telekom-Techniker, die dauerhaft Hochfrequenztönen ausgesetzt sind.<p>
Aber auch im Alltag nimmt der Geräuschpegel zu. Wir haben gestern zusammen mit der Firma Seefeld Hörsysteme den Schallpegel an markanten Stellen der Innenstadt gemessen. Das Ergebnis sind Momentaufnahmen, die keineswegs als repräsentativ angesehen werden dürfen. Am Neumarkt registrierte das Messgerät um 13.20 Uhr einen Verkehrslärm von 82 dB(A), ein einfahrender Zug im Hauptbahnhof brachte es auf 85 db(A), Bagger- und Verkehrslärm an der Iburger Straße ließen den Sensor bis 90 db(A) ausschlagen. <p>
Nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz ist die Stadt gefordert, ihre Einwohner vor dem Lärm zu schützen. Gerade ist der Schallimmissionsplan (SIP) fertig, der in Kooperation mit dem Niedersächsischen Landesamt für Ökologie (NLÖ) entstanden ist. Dabei wurde der Lärm auf der Basis eines digitalen Geländemodells hochgerechnet. Das Ergebnis ist eine Karte, in der grüne und gelbe Flächen die „leisen“, blaue und rote die „lauten“ Zonen kennzeichnen. <p>
Nun ist der Plan fertig, aber für die Stadt beginnt die eigentliche Arbeit. Charlotte Röttger-Dreisbach vom Fachbereich Städtebau hat die Aufgabe, einen Lärmminderungsplan vorzubereiten. Priorität habe dabei der Verkehrslärm, betont Fachbereichsleiter Franz Schürings. Aber Lärmschutzwände oder Schallschutzfenster kosten viel Geld. Die Stadt könne diese Lasten nicht allein tragen, beteuert Schürings. Aber es gibt auch Erfolgserlebnisse: In der Entscheidung des Landes, die Autobahn A 30 im Stadtgebiet mit dem offenporigen „Flüsterasphalt“ zu überziehen, sieht Schürings einen großen Schritt nach vorn.


Quelle:
Neue Osnabrücker Zeitung Online
Datum:
30.04.2003

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