Abarth 595 Esseesse: Scharfer Rennzwerg

| 09.05.2020


Der Fiat 500 ist ein schwer zu erklärendes Phänomen. Wo immer dieses Modell bisher aufgetaucht ist, findet es ausschließlich positive Aufnahme. Das gilt für den Urahn, den 500 Topolino (1936 bis 1957), das gilt für dessen Nachfolger Nuovo 500 (1957 bis 1975) und das gilt erst recht für den Cinquecento, der dem damals schwächelnden Fiat-Konzern ab 2007 den Hals gerettet hat.

Warum mag jeder diesen kleinen Italiener? Ein Psychologe hat es einmal versucht dadurch zu erklären, dass der 500er mit seinen Kulleraugen, seinem scheinbar lächelnden Gesicht und dem Babykopf-Design förmlich dazu herausfordert, ihm über den nicht vorhandenen Scheitel zu streicheln.

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Power-Rennzwerg: Der Abarth 595 Esseesse ist 180 PS stark.

Im Gegensatz zu diesem niedlichen Bild wirkt die Version, die von der Konzern-Tochter Abarth als 595 Esseesse auf die Straße gebracht wird, wie ein pubertierender Halbstarker: laut, kraftstrotzend und sich frech gegen alles auflehnend, was glaubt, der Held der Straße zu sein. Denn auf der Landstraße kann dem potenten Macho so schnell keiner das Wasser reichen. Die 180 PS seines Turbo-Vierzylinders haben im Kurvengeschlängel leichtes Spiel mit dem nur knapp über 1.000 Kilo schweren Babyface.

Das hat dieser nicht nur der ständigen Präsenz des Benziners zu verdanken. Sein größter Vorteil unter diesen Bedingungen steckt in dem verfeinerten Grundkonzept. Der kurze Radstand und die direkte Lenkung ermöglichen im Zusammenspiel mit dem auf den Punkt passenden Koni-Sportfahrwerk atemberaubende Kurvengeschwindigkeiten. Man muss sich aber erst einmal daran gewöhnen, dass der Esseesse auf jedes Zupfen am Lenkrad mit fast schon hektischer Betriebsamkeit reagiert. Schneller, als man den Radius der Biegung erfasst hat, schmiegt er sich bereits an den Straßenverlauf an.

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Der Abarth 595 Esseesse wirkt ein bisschen wie ein pubertierender Halbstarker.

Er dreht sich - trotz Frontantrieb - herrlich hecklastig ein und will mit fester Hand geführt werden, sobald das Anbremsen der Kurve, das Einlenken und das mit Gaseinsatz eingeleitete Herausziehen über den Scheitelpunkt ineinander übergehen. Wer in dieser Asphalt-Symphonie der Dirigent bleiben will, der sein 180-PS-Orchester im Griff hat, muss sich eine gewisse Routine erarbeiten.

Immerhin hat man es mit einem giftigen Vierzylinder zu tun, der von einem Garret-Turbolader zwangsbeatmet wird. Wer den Sport-Modus per Taste aktiviert, erhöht den Druck auf zwei Bar. Und schon geht die Post ab - zumindest nach einem kleinen Turboloch. Denn das maximale Drehmoment von 250 Newtonmetern steht erst ab 2.500 Umdrehungen zur Verfügung. Dann schießt der kleine Italiener in nur 6,7 Sekunden auf Tempo 100, wenn man sich für das manuelle Fünfgang-Schaltgetriebe entschieden hat. Mit Doppelkupplungsautomatik braucht er 0,2 Sekunden länger.

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Das Kindchen-Schema des Cinquecento funktioniert auch beim Abarth-Modell - mit Einschränkungen.

Die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 225 km/h. Ein eher theoretischer Wert. Nicht so sehr, weil es dazu einer freien Autobahn bedarf, sondern eher, weil es nicht wirklich entspannend ist, sich mit dem Esseesse in diese Geschwindigkeitsregionen vorzuwagen. Der kurze Radstand und die direkte Lenkung - gerade noch gelobt, weil sie die Agilität steigern - fordern auf der Langstrecke hohe Aufmerksamkeit. Starker Wind, Spurrillen und Unebenheiten sorgen bei hohem Tempo für eine unruhige Fahrt.

Dabei ist der Komfort viel besser, als man dies bei der straffen Fahrwerksabstimmung befürchten würde. Natürlich rollt der Abarth nicht gerade sänftenartig über Schlaglöcher oder Bodenwellen, aber er schluckt solche Verwerfungen in der Teerdecke mit erstaunlicher Gelassenheit weg. Da zeigt sich die Detailarbeit der Ingenieure.

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Wenn er darf, wie er will, schafft der 595 stolze 225 Sachen Spitze.

Und der 595 kann nicht nur krawallig schnell, er hat auch den bewussten Umgang mit den Ressourcen gelernt. Wer den Gasfuß nicht bleiartig belastet, sondern eher wie Schaumstoff, kann mit dem kräftigen Kleinstwagen problemlos im Bereich des Normverbrauchs von 6,8 Litern und trotzdem flott unterwegs sein. Wer die zur Verfügung stehende Kraft häufiger abruft, bleibt in der Region unter acht Litern. Im Testmittel waren es 7,2 Liter.

Bei der Anschaffung muss man schon eher tief durchatmen. Fast 30.000 Euro Basiskosten für den Abarth 595 Esseesse muss man wohl als Liebhaberpreis verstehen.

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Das Skorpion-Logo auf dem Lenkrad, gute Sportsitze - und viel Fiat 500: das 595-Interieur.


Technische Daten Abarth 595 Esseesse:

- Länge / Breite / Höhe: 3,66 / 1,63 / 1,49 m

- Antrieb: Turbo-Vierzylinder

- Leistung: 132 kW/180 PS bei 5.500 U/min

- max. Drehmoment: 250 Nm bei 3.000 U/min

- 0 -100 km/h: 6,7 sek.

Spitze: 225 km/h

- Manuelles Fünfgang-Getriebe, Vorderradantrieb

- Normverbrauch: 6,8 l/100 km

- CO2-Emission: 155 g/km

- Testverbrauch: 7,2 l/100 km

- Schadstoffklasse: Euro 6d Temp

- Leergewicht: 1.120 kg

- Zuladung: 305 kg

- Kofferraum: 185 bis 610 Liter

- Preis: ab 29.690 Euro mid/schw Bildquelle: Dieter Schwab / mid






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